Ist dieser Delphin krank?

von Dr. Manuel García-Hartmann | WuM | Hannover | 12. Dezember 2000

Klinische Aspekte der Tiermedizin bei Zahnwalen in Delphinarien und in der Wildbahn

Dr. Manuel García-Hartmann
Zoo Duisburg

Vortrag am 12. Dezember 2000
im Hörsaal des Museumsgebäudes, Tierärztliche Hochschule Hannover

Zusammenfassung

Bevor man die Frage stellen kann, ob ein Delphin krank ist, muss man einem lebendem Delphin begegnen. Das kann bei einer Strandung oder in einem Delphinarium geschehen. An der niederländischen Küste sind allerdings nur 1-2% der Strandungen Lebendstrandungen. Viel eher kommt man in einem der ca. 30 europäischen Delphinarien (Deutschland: Nürnberg, Münster, Soltau, Duisburg) in Kontakt mit Delphinen, die diagnostisch und manchmal auch therapeutisch zu betreuen sind.

Zunächst gilt es, eine Erkrankung zu diagnostizieren. Das beginnt mit einer Anamnese, die insbesondere Nahrungsaufnahme, Teilnahme und Verhalten berücksichtigt. Spezifisch für Meeressäuger in Menschenhand sind Parameter des Life Support Systems (Chlor, N2-Gleichgewicht, „Turnover rate“ 1:X) zu berücksichtigen.

Für die anschliessende Untersuchung sind die sogenannten Medical Behaviours wichtige Vorraussetzung, da ohne sie Standarduntersuchungstechniken (Blutentnahme, Ultraschall, Urinprobe, Endoskopie) nur schwer möglich wären. Trainierte Delphine präsentieren auf Kommando einen Körperteil, atmen aus, setzen Kot ab oder tolerieren einen (kleinen) Eingriff.

Die diagnostischen Möglichkeiten beinhalten: Blas-Cytologie, Blutuntersuchungen, Kot-Cytologie, bakteriologische Untersuchung, virologische Untersuchung, Endoskopie, Ultraschall, Röntgen und „Fine Needle aspiration“.

Zu den häufigsten Folgen bakterieller Infektionen zählen Pneumonien, Septikämie, Bakterämie und Abszesse, die durch zahlreiche verschiedene Erreger hervorgerufen werden. Häufig kommen Staphylokokken (Staph. aureus) oder Streptokokken (Str. dysgalactiae), Clostridien (Cl. perfringens), Erysipelothrix rhusiopathiae, Nocardien, Pseudomonaden, Pasteurella, Vibrio, Enterobacteriaceae (E. coli, Salmonella, Proteus) vor.
Bei Delphinen nachgewiesene Viren sind Morbillivirus, Poxvirus, Herpesvirus, Papillomavirus oder Rhabdovirus (non rabies). Viele Viren sind allerdings noch unbekannt.

Auch Mykosen haben eine gewisse Bedeutung: Wichtige Erreger sind Aspergillus (A. fumigatus), Candida (C. albicans, C. tropicalis) und die „Exoten“ Cryptococcus, Histoplasma und Loboa loboa.

Bei Strandungen lassen sich immer Parasiteninfestationennachweisen. Wichtige Parasiten gehören zu den Nematoden, Cestoden (Darm & Cysten), Trematoden und Crustacea.

In freier Wildbahn treten gelegentlich akute Intoxikationen mit Algentoxinen („red tide“: Saxotoxin, Brevitoxin, „domoic acid“) oder vermutete chronische Intoxikationen mit Schwermetallen (Blei, Quecksilber) oder Organochlorinen auf.

Weitere relevante Erkrankungen sind Traumata, Arteriosklerose, Hepatitis (idiopathisch), Nierensteine oder Leber- und Nierenfunktionsstörungen (geriatrisch, idiopathisch) .

Für eine erfolgreiche Therapie ist zahlenmäßig ausreichendes und gut ausgebildetes Personal notwendig. Eine Therapie bei Delphinen ist immer zeitintensiv und teuer. Die besonderen Anpassungen der Delphine an das Leben im Meer müssen stets im therapeutischen Blickfeld stehen, um z.B. Hyperthermie und Schockzustände zu vermeiden. Eine Anästhesie ist kaum durchzuführen.

 

Empfohlene Literatur

DIERAUF, L. A. (1990):
CRC Handbook of Marine Mammal Medicine: Health, Disease, and Rehabilitation.
CRC Press, Boca Raton.

HARTMANN, M. G. (2000):
The European studbook of bottlenose dolphins (Tursiops truncatus): 1998 survey results.
Aquatic Mammals 26(2), S. 95-100

MEDWAY, W. (1980):
Some bacterial and mycotic disease of marine mammals.
Journal of the American Veterinary Medical Association 177, S. 831-834

 

Empfohlene Internetadressen

European Association for Aquatic Mammals (EAAM)
http://www.eaam.org

International Association for Aquatic Animal Medicine (IAAAM
http://www.iaaam.org

American Association of Zoo Veterinarians (AAZV)
http://www.worldzoo.org/aazv

Delphinarium des Zoos Duisburg
http://www.zoo-duisburg.de/tiere/promW.htm