Wale – marine Wiederkäuer?

von Dr. Markus Büker | WuM | Hannover | 20. Januar 2010

Altbekanntes und Neues zur Ernährung von Cetaceen

Dr. med. vet. Markus Büker
Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere, Tierspital, Vetsuisse-Fakultät, Universität Zürich, Schweiz

Vortrag am 20. Januar 2010 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover in der „Alten Apotheke“

Zusammenfassung

Magen eines Zwergwales
a – Oesophagus; b – Vormagen; c – Hauptmagen; d – Pylorusmagen; e,f – Duodenalampulle?; g – Duodenum; h – Leber (skizziert); i – Omentum minus; j – Milz

Wale haben ein breites Beutespektrum, das regional stark divergiert. Die Verdaulichkeit dieser Nahrung ist in der Regel sehr hoch. Zum Grund- und Energieumsatz in freier Wildbahn liegen nur wenige empirische Daten vor. Diese weisen eher darauf hin, dass sie sich nicht wesentlich von Werten terrestrischer Carnivoren unterscheiden. Gleiches gilt für die Futteraufnahme.
Kennzeichnend für viele Walspezies ist eine ausgeprägte Saisonalität mit Fastenperioden, während denen jedoch häufig ein enormer Energiebedarf besteht. Dieser wird durch spezielles Depot-Fettgewebe gewährleistet. Der Flüssigkeitsbedarf wird direkt über die Nahrung, aber auch mittels Aufnahme von Meerwasser gedeckt.
Probleme zu Untersuchungen zur Verdauung und Ernährung von Walen liegen an den zum Teil spärlichen Probenumfängen (Einzeltierstrandungen), der Größe der Tiere (Haltung in Gefangenschaft schwierig und aus tierschutzrelevanten Gründen meistens abzulehnen) sowie des Lebensraumes Wasser. Für viele Daten muss man auf teilweise sehr alte Literatur aus Zeiten des (europäischen) Walfangs im 18. und 19. Jahrhundert zurückgreifen.
Die Zähne der Zahnwale dienen meistens nur dem Festhalten der Beute. Dementsprechend ist das Gebiss entwickelt (sekundär-homodont, monophyodont und polyodont). Schnabelwale nehmen ihre Beute meistens durch Suction feeding auf, dabei bildet die zunehmende Meeresverschmutzung (Plastiktüten etc.) ein Problem. Bartenwale filtern ihre Beute mittels ausgebildeter Hornlamellen, den Barten. Man unterscheidet dabei verschiedene Beuteerwerbsstrategien: Skimming, Engulfment und Foraging. Eine besondere Form des aktiven Beutefangs ist das Lunge-feeding (häufig beobachtet bei Buckelwalen). Unklar ist, ob Pottwale, die häufig in der Tiefsee nach Beute suchen, Tiefseefische und Cephalopoden eventuell sogar mittels Biolumineszenz anlocken können.
Die Dünndärme sind verhältnismäßig lang, was eventuell auf die Tauchgänge während des Beuteerwerbes zurückzuführen ist.
Der Magen der Cetaceen ist bei allen Spezies mehrkammerig (bis zu 15 Kammern) und wurde wiederholt mit dem Wiederkäuer-Magen verglichen. Eine bakterielle Fermentation im Vormagen ist bei Bartenwalen vorhanden, allerdings ist der Beitrag zur Energiedeckung eher gering. Es scheint, dass sich die Vormagenfermentation an die jeweilige Nahrung anpassen kann. Daneben übernimmt das Vormagensystem vermutlich die Funktion einer mechanischen Futter-Zerkleinerung, einer partiellen Vorverdauung sowie eines Speicherorgans.

 

Empfohlene Literatur

DIERAUF, L. A. und F. M. D. GULLAND (2001):
CRC Handbook of Marine Mammal Medicine.
CRC Press, Boca Raton, Florida.
(für Tierärzte, die mal was über Meeressäuger wissen möchten, leider recht teuer – ca. 120,-Euro)

GASKIN, D. E. (1982):
The Ecology of Whales and Dolphins.
Heinemann, London, Exeter, New Hampshire.434 Seiten

GERACI, J. R. und V. J. LOUNSBURY (2005):
Marine Mammals Ashore: A Field Guide for Strandings.
National Aquarium in Baltimore; National Oceanic and Atmospheric Administration’s National Marine Fisheries Service; National Ocean Service, Baltimore.
(wen es interessiert, was man bei Strandungen so alles macht, außerdem mit Kurzbeschreibungen zu Walspezies etc., 43 US-Dollar)

Grassé, P. P. (1955):
Ordre des cétacés.
Traité de zoologie, Band 17
Masson, Paris:
(leider französisch, aber eine der besten Sammlungen über Zoologie)

SLIJPER, E. J. (1962):
Whales.
Hutchinson & Co. Ltd, London. 475 Seiten
(zwar schon alt, aber immer noch ein gut verständliches, umfassendes Buch)

 

Über den Referenten:

Dr. med. vet., Cert. IAH Markus Büker
Kleintierpraxis Dr. E.-U. Peitzmeier
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