Der Irrgast in der Ostsee ist ein gutes Zeichen für die sich erholenden nordatlantischen Buckelwale. Seine eigenen Chancen, die für ihn ungeeignete Ostsee lebend zu verlassen sind allerdings schlecht.
Es gab keine Zeitung, die nicht von dem Buckelwal berichtet hat, den die Ornithologen Andreas Nick und Christoph Bock vom Rügener Festland aus erspäht hatten. Die Minibilder des springenden Wales, die aus knapp 6 Kilometer Entfernung aufgenommen wurden, sind überall publiziert worden.
Vorher hatte dieser Wal schon in Dänemark „Hallo“ gesagt. Thyge Jensen vom dänischen Informationsdienst über Meeressäuger hvaler.dk hatte schon einige Hinweise von Bootsfahrern entgegengenommen, die einen großen Wal im Øresund zwischen Dänemark und Schweden gesehen hatten.
Hvaler.dk ist aus einem dänischen Monitoringprojekt entstanden und meldet tagesaktuell Sichtungen und Strandungen von Meeressäugern in dänischen Gewässern. Dort sind folgende Stationen des Wales aufgezeichnet:
- 23. Juli Insel Ven im Øresund nahe der Hauptstadt Kopenhagen
- 24. Juli etwas weiter südlich der Øresundbrücke springend und mit den Flippern schlagend
- 25. Juli gesichtet von Kap Arkona, Rügen
- 29.7. Vor Dalówo, Polen
- 31.7. Vor Rowy, Polen
- 1.8. Vor Melsted, Bornholm
- 1.8., ca. 18.30. Vor Kobbeåen, Bornholm
- 1.8., ca. 19.15. Vor Bølshavn. Schwimmrichtung: Christiansø
- 2.8., ca. 12.25. Vor Tejn. Nordwestliche Schwimmrichtung
- 2.8., ca. 16:30. Vor Hammerknuden. Nordwestliche bis westliche Schwimmrichtung
- 3.8., Nachmittag, Sichtung vor Lohme, Rügen
Vor Rowy in Polen konnte der Wal gefilmt werden. Werfen Sie einen Blick auf den springenden Buckelwal:
Buckelwale sind nicht heimisch in der Ostsee und waren es auch vor Walfangzeiten nicht. Dieser Wal kann also als Irrgast bezeichnet werden. Die meisten Buckelwale führen saisonale Wanderungen durch. In der Sommersaison fressen die Tiere in den nährstoffreichen polaren Gewässern, während sie im Winter in wärmere Gewässer ziehen, um sich dort fortzupflanzen und die Kälber zu gebären.
Nur wenig Buckelwale im Osten
Für die nordatlantischen Buckelwale sind als tropische Fortpflanzungsgebiete die Westindischen Inseln und die Kapverdeinseln bekannt. Die ca. 11.000 Tiere starke Population der Westindischen Inseln verteilt sich im Sommer auf alle fünf bekannten Freßgebiete am Gulf of Maine (USA), vor der kanadischen Küste, vor Westgrönland, um Island und vor Nordnorwegen. Die knapp über 100 Tiere der Kapverden verteilen sich dagegen nur auf die isländischen und norwegischen Freßgründe.
Die in Mitteleuropa zunehmenden Sichtungen von Buckelwalen sprechen dafür, dass sich die durch den Walfang stark dezimierten nordatlantischen Buckelwale wieder erholen. Seit 1955 sind diese geschützt. Die letzte Bestandsschätzung aus dem Jahr 2003 kommt auf Basis von Sichtungszahlen aus den Jahren 1992 und 1993 auf einen nordatlantischen Gesamtbestand von 11570 Tieren (95% CI 10290 bis 13390). Dabei liegt die Bestandsschätzung für die kapverdischen Wale nur bei rund 100 Tieren.
Aus der Ostsee sind folgende Sichtungen bekannt:
- 1978 schwamm der Buckelwal „Ossi“ für mehrere Monate vor Rügen herum
- 1984 ist vor Sassnitz ein Buckelwal gesichtet worden
- 3.7.2003 bei Groß Schwansee nahe Wismar wurde ein knapp sieben Meter langes Jungtier gefunden
- März 2006 Buckelwalsichtung in der Danziger Bucht. Dieser Wal wurde später tot treibend vor der schwedischen Küste gefunden.
Die irische Whale and Dolphin Group IWDG ist bemüht, die zunehmenden Buckelwalsichtungen vor der irischen Küste mit denen um die Kapverdischen Inseln abzugleichen. Dafür werden Photos von den Fluken der Wale in den Nordatlantischen Buckelwalkatalog eingebunden.
Ein interessante Mehrfachsichtung ist den Iren um Simon Berrow und Pádraig Whooley Ende 2007 gelungen, als sie die Reise eines Buckelwales durch die Nordsee dokumentieren konnten.
Ist die Ostsee geeignet für den Buckelwal ?
Obwohl das Schwimmmuster des Ostseewales danach aussieht, dass er gerade dabei ist, die Ostsee kennenzulernen, ist es sehr fraglich, ob er das rettende Nadelöhr zurück in die Nordsee finden wird. In der Ostsee ist das Nahrungsangebot schlechter, ganz abgesehen davon, dass Buckelwale soziale Tiere sind, die einen Großteil der Beutezüge gemeinsam erledigen.
In den Freßgebieten liefert das kooperativen Fressen der Buckelwale oft spektakuläre Schauspiele. Buckelwale treiben sich Heringe und andere kleine Schwarmfische mit Fressgesängen zu, bauen Luftblasennetze und vollführen eine wahre Kür des Beutefangs. Für den Krillfang vereinzeln sich die Wale in der Regel wieder.
Es bleibt also nur, dem Wal immer ausreichend Hering vor der Schnauze und eine gute Orientierung zu wünschen. Vielleicht ergibt sich ja ein Bild von der Flukenunterseite und der Wal lässt sich identifizieren.
Literatur
PALSBØLL, P. J., J. ALLEN, M. BÉRUBÉ, P. J. CLAPHAM, T. P. FEDDERSEN, P. S. HAMMOND, R. R. HUDSON, H. JORGENSEN, S. KATONA, A. H. LARSEN, F. LARSEN, J. LIEN, D. K. MATTILA, J. SIGURJÓNSSON, R. SEARS, T. D. SMITH, R. SPONER, P. STEVICK und N. ØIEN (1997):
Genetic tagging of humpback whales.
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PUNT, A. E., N. FRIDAY und T. D. SMITH (2006):
Reconciling data on the trends and abundance of North Atlantic humpback whales within a population modelling framework.
Journal of Cetacean Research and Management 8, S. 145-159
STEVICK, P. T., N. ØIEN und D. K. MATILLA (1998):
Migration of a humpback whale (Megaptera novaeangliae) between Norway and the West Indies.
Marine Mammal Science 14, S. 162-166
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North Atlantic humpback whale abundance and rate of increase four decades after protection from whaling.
Marine Ecology Progress Series 258, S. 263-273